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Wie die Software-Hersteller Kunden in die Cloud bugsieren - mit Zuckerbrot und Peitsche

31.05.2023

Mit attraktiven Angeboten locken grosse ERP-Systemhäuser ihre Kunden in die Cloud. Trotz der Vorteile eines SaaS-Modells haben aber viele Kunden wenig Lust auf eine teure Migration. Damit die Kunden Folge leisten, setzen die Konzerne wie Microsoft oder SAP deshalb zunehmend Druck auf.

Benedict Vuilleumier (Autor)

 

Cloud Services: Zweifellos «the cutting edge»
Mit dem Aufbau der des Software-Angebots aus der Public Cloud haben viele ERP-Anbieter das Cloud-Zeitalter eingeläutet und treiben das Angebot mit einem rasanten Tempo voran. Ein Beispiel dafür zeigte die Konferenz der Dynamics-Partner «Directions 4 Partners» anfangs November 2022. Hier stand nicht die funktionale Weiterentwicklung des ERP-Business Central im Zentrum, sondern die Integration mit den Microsoft Produkten wie Teams, Dynamics 365 for Sales (CRM), das Zusammenspiel mit der PowerPlatform oder Drittprodukten wie Shopify. Die angekündigte Investition von 10 Mia. $ in OpenAI und die Integration von ChatGPT in die Produktpalette lassen erwarten, dass die Anwendungen auch künftig das technologische «cutting Edge» sein werden. Microsoft ist dabei längst nicht der einzige Softwareanbieter mit dieser Strategie. Einige sind bereits unterwegs; und viele werden den Cloud-Vorreitern folgen.

 

Lebensdauer werden deutlich kürzer: «Das Ende von Implement and Forget?»
Verschiedene ERP-Systeme wie SAP R/3 oder Microsoft NAV laufen aus der aktiven Wartung, erreichen den Lifecycle und werden damit Geschichte. Wo früher dank 10-jährigem Produkt-Lebenszyklus getrost nach einer «Implement and Forget-Methodik» vorgegangen werden konnte, ist heute mehr Eile angesagt: Der so genannte «modern Lifecycle» beträgt oft nur noch 1 – 2 Jahre; und zwar unerheblich davon, ob das System lokal betrieben oder als Cloud Service bezogen wird. Beim Cloud Service erfolgen die Updates automatisch und in hoher Kadenz (teilweise monatlich) – beim lokalen Betrieb zulasten des Betreibers; also dem End-Kunden.

 

Cloud Upgrade: Aufwändig und teuer
Die Migration von einem Legacy-System auf die Cloud-Technologie ist ein aufwändiges Vorhaben. Frühere kundenspezifische Anpassungen haben zu hochindividualisierten, monolithischen ERP-Systemen geführt. In der neuen Welt werden Anpassungen über Partner-Apps oder in der Form von Custom Apps an die Kernlösung angedockt. Das bedeutet einen teuren Totalumbau des bestehenden Systems – ein Projekt, das viele Unternehmen so lange wie nur möglich aufschieben.

 

Zuckerbrot und Peitsche
Die Promotionen, die den Umstieg in die Cloud attraktiv machen sollen, sind je nach Softwareanbieter mit attraktiven Rabatten von 40 – 60% auf die Subscription-Preise beeindruckend hoch. Allerdings vielfach begrenzt über 3 oder 4 Jahre und zeitlich auf ein Enddatum limitiert. Um das Zuwarten nochmals unattraktiver zu machen, wird zudem offen kommuniziert, dass auch bei On-Premises-Systemen nur noch Cloud-fähiger Code verbaut wird. Für jene, die auch weiterhin auf alte Technologien setzen, muss der dann «Non-Cloud-Code» teilweise separat lizenziert werden. Oder anders ausgedrückt: Wer nicht cloud-fähigen Code verbaut, wird bestraft.

 

Fazit: Der Umstieg auf das Cloud-System ist nicht für alle das Richtige
Dass die ERP-Anbieter für die Entwicklung der Cloud-Angebote mit der «alten Welt» der lokal betriebenen Systeme irgendwann einen Schnitt machen müssen, ist nachvollziehbar. Dennoch ist der Wechsel in die Cloud nicht für jeden Kunden das Richtige und oftmals schlicht zu teuer. SaaS bedeutet einen höheren Lock-In beim Hersteller und die häufigen Updates verursachen grosse Unsicherheiten bei Nutzern von komplexeren Systemen mit vielen Schnittstellen.

 

Es macht daher Sinn, den Technologiewechsel zu nutzen, eine Auslegeordnung zu machen und sich allenfalls für einen anderen Weg bzw. ein anders System zu entscheiden. Die Unterstützung eines externen Beraters empfiehlt sich, damit nicht nur das eigene System neutral betrachtet wird, sondern auch mögliche Alternativen und Varianten geprüft werden können.

Wichtig dabei ist, dass diese Überlegungen angestellt werden, bevor das System am Ende des Lebenszyklus angelangt ist. Wird zu lange gewartet, wird es immer schwieriger dem Technologiewechsel proaktiv zu begegnen

 

 

Foto von C Dustin auf Unsplash