Roger Sutter (Autor)
ERP- und Finanzmanagement-Systeme sind seit jeher eng mit einander verknüpft. Kein Wunder, denn der Material- und Wertefluss lässt sich in integrierten Systemen kaum trennen. Der Wunsch nach einer stärkeren Automatisierung der Geschäftsprozesse hält ungebremst an und war in den letzten Jahren gerade auch bei den Finanzprozessen sehr stark spürbar. Moderne Systeme versprechen grosse Effizienzgewinne, bessere Transparenz und punktgenauere Steuerungsmöglichkeiten zur Optimierung der Produktivität und Profitabilität. Doch wie gut decken die führenden Systeme die Bedürfnisse im Bereich Finanzen und Controlling tatsächlich ab. Hier ein kurzer Überblick.
Ein eigenes Finanzmodul bildet oft Teil eines ERP-Systems und deckt die wesentlichen Aspekte der Buchhaltung und des Finanzmanagements eines Unternehmens ab. Der tatsächliche Umfang reicht von den notwendigen Transaktionen zur Abdeckung länderspezifischer Anforderungen einer ordentlichen Rechnungsführung bis zu umfassenden Finanzmanagementlösungen im internationalen und firmenübergreifenden Geschäftsverkehr. Die tatsächlichen Möglichkeiten einer durchgängigen Automatisierung ohne Medienbrüche sowie zur systematischen Vermeidung von Risiken (z.B. bei MWST, grenzüberschreitenden Transaktionen, Zahlungsprozesse, Kostenausweis, etc.) erfordert ein genaues Hinschauen. Die Tücken liegen oft in konzeptionellen Detailfragen und der optimalen Gesamtintegration versteckt.
Die folgende Übersicht zeigt die wesentlichen funktionalen Bereiche. Basis bilden die klassischen Haupt- und Nebenbücher sowie die Standard-Berichterstattung gemäss regulatorischen Auflagen. Die meisten Systeme gehen jedoch weit darüber hinaus.
[siehe Grafik Finanzmodul]
Moderne Systeme sorgen nicht nur für umfassende und übergreifende Finanzkennzahlen in Echtzeit, sondern ermöglichen ein durchgängiger Daten- und Dokumentenzugriff zwecks Rückverfolgbarkeit. Zudem unterstützen und übernehmen bereits heute lernende Algorithmen eine konsistente, automatisierte Buchführung. Die Fachkräfte können sich dadurch auf wertstiftende Aktivitäten konzentrieren und fundiertere Geschäftsentscheidungen treffen.
Klassische Buchhaltungssoftware stützt sich hauptsächlich auf aktuelle und historische Daten. Ganz anders ERP-Finanzmodule. Hier laufen Daten aus dem gesamten Wertefluss eines Unternehmens zusammen. Das Modul ist also so integriert, dass es mit allen übrigen Modulen (z.B. Verkauf, Materialwirtschaft, Einkauf, PPS, CRM) kommuniziert und dadurch Daten zwecks Planung und Früherkennung (=Risikomanagement) aufzeigen kann.
6 zentrale Vorteile einer integrierten ERP-Finanzlösung:
1. Hauptbuchverwaltung
Das Hauptbuch enthält eine vollständige und detaillierte Aufzeichnung aller finanziellen Transaktionen der Organisation. Die Daten werden zentral gespeichert und sind leicht abrufbar. Bestimmte Systeme ermöglichen es, mehrere Hauptbücher parallel zu verwalten und unterschiedliche Bewertungen (z.B. Lager, Anlagevermögen) automatisiert vorzunehmen.
2. Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung
Die Automatisierung der Kreditoren- und Debitorenprozesse stand bereits früh im Fokus der Weiterentwicklungen. Grund dafür ist, dass hierdurch das Risiko menschlicher Fehler minimiert, kritische Finanzaktivitäten verfolgt und grössere Effizienzgewinne realisiert werden können. Gerade im Bereich der Eingangsrechnungen ermöglichen moderne Systeme durchgängige, revisionssichere und intelligente Prozesse bis hin zum automatisierten Zahlungsverkehr im E-Banking (EBICS).
3. Verwaltung des Anlagevermögens
Viele Unternehmen verwalten ihr Anlagevermögen noch immer manuell. Dies ist fehleranfällig und aufwändig. Integrierte Lösungen helfen den Anwendern, den Überblick über ihre Assets zu behalten und diese im Zeitverlauf zu verwalten und auszuwerten. Umfassendere Lösungen bieten zudem wertvolle Integrationsmöglichkeiten in die Investitionsrechnung, die Instandhaltung sowie die Produktion, beispielsweise für die Wartungs- und Produktionsplanung sowie die Aufzeichnung der Historie der Anlageobjekte.
4. Gewinnverfolgung und Kostentransparenz
Durch die Zusammenführung und Aufbereitung sämtlicher Daten in der nötigen Granularität erhält ein Unternehmen die benötigte Transparenz über die Gewinn- und Verluststrukturen. Es wird erkannt, wo Gewinn erwirtschaftet oder bspw. eine Quersubventionierung stattfindet. Weiter lässt sich die Rentabilität von Investitionen bzw. Entscheidungen im Zeitverlauf ermitteln. Neu und erschwingliche technische Mittel (z.B. Beacons, RFID, etc.) ermöglichen zudem, die Kosten direkt, automatisch und verursachergerecht zuzuteilen. Ohne die entsprechende Systemunterstützung ist es schwierig, den Überblick zu wahren und die richtigen Hebel für Verbesserungen zu erkennen.
5. Risikomanagement
Dank automatisierter Prozesse und künstlicher Intelligenz kann die finanzielle Stabilität einer Organisation besser gewahrt werden. Dies betrifft u.a. Risiken im klassischen Zahlungsverkehr, sowie die Einhaltung regulatorischer Vorgaben (inkl. MWST, Aufbewahrungspflichten, Datenschutz, etc.). Änderungen der Vorgaben können im System auf der Zeitachse verwaltet und Risiken dank Früherkennungsmechanismen proaktiv gesteuert werden. Je internationaler ein Unternehmen aufgestellt ist und je vielfältiger die Geschäftsfälle sind, desto grösser fällt der Nutzen aus.
6. Finanzielle Berichterstattung
Moderne Systeme bieten die Möglichkeit, die periodische Berichterstattung automatisiert durchzuführen. Dabei können die Berichte für verschiedene Anspruchsgruppen praktisch per Knopfdruck adressatengerecht zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus bestehen benutzerspezifische Cockpits (z.B. Kreditorenbuchhalter, Kostenstellenleiter, Geschäftsführer) und es stehen flexible Ad-hoc-Abfragen zur Verfügung. Das mühsame Zusammenführen, Konsolidieren, Abstimmen und Kontrollieren der Daten aus verschiedenen Umsystemen entfällt.
Allgemein gilt für das Finanzmodul wie generell für die ERP-Welt, dass die klassischen Transaktionssysteme dank künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und Business Intelligence (BI) je länger je mehr verschwinden. Die Benutzer können sich stattdessen auf das Ausnahmemanagement fokussieren und werden in übersichtlichen Cockpits auf Unregelmässigkeiten und notwendige Aktivitäten aufmerksam gemacht.
Der Wert einer integrierten ERP-Lösung für das Finanzmanagement kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dies insbesondere aufgrund der steigenden Komplexität und Dynamik, stark zunehmender Daten und vermehrt dezentraler Strukturen. Bei der Auswahl der Systeme sollte jedoch genau hingeschaut werden. Die funktionalen Unterschiede sowie das Kosten-Nutzen-Verhältnis der am Markt erhältlichen Lösungen unterscheidet sich sehr stark. Weiter sollte sich die strategische technologische Ausrichtung und Entwicklung der Organisation mit den Möglichkeiten und die Releaseplanung der Software-Produkte in den wesentlichen Punkten decken. Allzu oft wird (zu) spät festgestellt, dass die angeschaffte ERP-Lösung neue Geschäftsprozesse nicht ausreichend zu unterstützen vermag (z.B. EDI, Mehrmandanten, Intl. Strecken- und Reihengeschäfte, Kosten-Leistungsrechnung, u.a.). Am Anfang steht also auch hier ein sorgfältiger ERP-Auswahlprozess.