Thomas Hartmann (Autor)
ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning Systeme) waren schon immer auf ihre Datenbetrachtung innerhalb der vier Wände eines Unternehmens begrenzt. Der Aufstieg des Internets der Dinge (IoT) hat sichtbare Auswirkungen auf die Unternehmensanwendungen. Und während die meisten Anbieter von Unternehmensanwendungen darüber sprechen, wie sich das IoT auf die aktuellen Anwendungen auswirken wird, stelle ich fest, dass viele nicht über das Design und die Betriebsmodelle des aktuellen Systems hinausblicken. In Wirklichkeit wird das IoT die ERP-Anwendungen grundlegend verändern. Die derzeitigen Ansätze zur Verwaltung von Unternehmensdaten werden buchstäblich von aussen nach innen gekehrt.
Das IoT wird es ermöglichen, dass Daten in Echtzeit von allen möglichen externen Touchpoints zurück in die internen Systeme gelangen. Dadurch müssen sich Unternehmen nicht länger damit abmühen, die internen Business-Software sowie die damit verbundenen Geschäftsprozesse mittels komplizierter Schnittstellen zu den externen Daten verbinden zu müssen. Die Daten, welche von IoT-Geräten gesammelt werden, werden für das Management zur gezielten Führung des Unternehmens von grösster Bedeutung werden.
Ich teile die Meinung: alles, jeder Mensch, jeder Lebensbereich wird grundlegend von der digitalen Technologie geprägt sein. In unserem Zuhause, bei der Arbeit, an unseren Unterhaltungsorten, beim Sport etc. Das Ergebnis ist, dass ERP-Systeme, wie sie heute existieren, grundlegen verändert werden und neue Modelle sich durchsetzen werden. Es sind die externen Daten aus dem IoT, die der Treibstoff für die nächste Generation von Geschäftssystemen sein werden.
Was ist das IoT?
IoT und IIoT (Industrial internet of things) sind eine Kombination von Technologien, die es praktisch jedem "Ding" ermöglichen, über das Internet zu kommunizieren, Daten zu erfassen und diese zu senden. Es handelt sich dabei um intelligente, verbundene Geräte, welche über einige integrierte Rechenfunktionen verfügen. Das wichtigste Hauptmerkmal ist, dass die Geräte mit dem Internet verbunden sind.
Beispiele für intelligente, vernetzte Geräte sind Staubsaugerroboter, das Smartphone, vernetzte Kühlschränke, intelligente Zahnbürsten, die Kaffeemaschine oder Tesla-Autos. Die Kosten für diese intelligenten und vernetzten Datenverarbeitungsfunktionen sind in den letzten Jahren so stark gesunken, dass es möglich ist, intelligente und vernetzte Funktionen in fast jedes Objekt für nur wenige Franken einzubauen.
IoT wird ERP und Geschäftsprozesse verändern
IoT und IIoT ergänzen und/oder ersetzen bereits jetzt die Quellen für viele Aufträge und Transaktionen, die in Business-Software-Systemen wie ein ERP verarbeitet werden. Dies kann sein im Bereich Kaufaufträge im Purchase-to-Pay-Prozess, Arbeitsaufträge für die Wartung und den Betrieb von Anlagen, Serviceaufträge oder bei Verkaufsaufträge im Order-to-Cash-Prozess. Und natürlich im Bereich der Predictive Maintenance wo IoT Sensoren automatisch den Zustand eines Gerätes oder einer Komponente übermitteln und Prozesse auslösen.
Derzeit betrachten ERP-Systeme die Daten von intelligenten, vernetzten Geräten als Ergänzung zu den aktuellen Hauptgeschäftsprozessen. Die ERP-Systeme werden derzeit angepasst, um die IoT-Daten in einen Data-Lake oder Datenspeicher aufzunehmen und dann ihre Systeme entsprechend den aktuellen (und archaischen) Geschäftsprozessen zu aktualisieren. IoT ist aktuell «nur» eine sekundäre Informationsquelle zur Optimierung von Prozessen. Ich gehe davon aus, dass in Zukunft die ERP-Systeme jedoch die IoT-Daten als sogar als primäre Quelle und Aufzeichnung für die Verwaltung der Geschäftsprozesse betrachten werden.
Wie sieht die Zukunft der Businessprozesse aus
Ein Beispiel: Ein Konsument kann heute via Telefon (notabene das am weitesten entwickelte, intelligente und vernetzte Geräte) ein individuelles Paar Schuhe bestellen. Die Bestellung wird direkt an den Schuhproduzenten geschickt, der den Auftrag bearbeitet. In naher Zukunft wird es möglich sein, dass die Bestellung für dieses paar Schuhe direkt an eine autonome Fertigungsstrasse geschickt wird. Sie wird mit vernetzten Robotern und 3D-Druckern betrieben. Somit würde der 3D-Drucker den Auftrag vollautomatisch entgegennehmen und die verschiedenen Fertigungsaufgaben in die Wege leiten. Der Drucker fordert das benötigte Material an und es wird automatisch aus dem vorhandenen Lagerbestand bestellt oder vollautomatisch beschafft.
Weiter sehen wir bereits heute einen Trend zum «dienstleistungsorientierten» Geschäftsmodell. Etliche Produzenten von Grossgeräten sind bereits zu diesem Modell übergegangen und der Kunde bezahlt nur für den Zeitraum in welchem das Gerät in Gebrauch ist. Beispielsweise Flugzeugtriebwerkhersteller wie GE berechnen nur die Einsatzzeit, in welcher die Triebwerke in Betrieb sind. In diesem Beispiel übernimmt GE die komplette Verantwortung für die Reparatur und Wartung der Triebwerke und verrechnet eine entsprechende Servicegebühr.
Fast jedes elektronische Gerät über CHF 100.- beinhaltet bereits heute über ein gewisses Mass an mobiler Konnektivität. Handys sind wahrscheinlich das ausgereifteste Beispiel. Wenn Sie ein Google Chromecast oder Amazon Fire Stick kaufen und anschliessen, sind Sie automatisch mit der gesamten Palette der auf diesem Gerät verfügbaren Dienste des Anbieters verbunden. Intelligente Haushaltsgeräte und -vorrichtungen, persönliche Produkte wie intelligente Sportschuhe werden auf den Markt kommen. Bereits heute klar absehbar ist auch der Fakt, dass vernetzte Autos die Norm sein werden. Zudem werden Geräte nicht mehr kompliziert registriert, sondern können dies selber übernehmen. Die 5G-Netzwerkkonnektivität wird die nächste Stufe der vernetzten Geräte ermöglichen.
Es werden diese Geräte sein, die in Zukunft viele Geschäftsprozesse initiieren und tracken werden. Es wird der Überwachungsroboter des intelligenten Hauses sein, der den Staubsaugerroboter benachrichtigt, dass der Hund gerade seinen Napf verschüttet hat und er sauber gemacht werden muss. Es wird die Maschine oder der Roboter in der Fabrikhalle sein, der das benötigte Material im Lager prüft, anfordert oder eine automatische Bestellung beim Lieferanten auslöst. Die Anforderung wurde von dem Smart-Car erteilt wurde, welcher erkannt hat, dass die Bremsbeläge abgenutzt sind. Es wird auch der Überwachungsroboter des intelligenten Hauses sein, der den Staubsaugerroboter benachrichtigt, dass der Hund gerade seinen Napf verschüttet hat und er sauber gemacht werden muss.
Auch ganze Software-Suiten, die auf und um diese ERP-Systeme herum aufgebaut wurden, werden sich drastisch verändern. Gerne verweise ich hier auf einen höchstinteressanten Artikel über IoT-Anwendungen für die Fertigung «Physical Assets and Service Sharing for IoT-enabled Supply Hub in Industrial Park (SHIP)».
Weitere Beispiele sind das Produktlebenszyklusmanagement (PLM) sowie Planungs- und Prognosetools. IoT ermöglicht es, den Produktlebenszyklus in Echtzeit zu verwalten. In ähnlicher Weise werden Forcast- und Planungstools in der Lage sein, in Echtzeit auf eine Momentaufnahme des Zustands der gesamten installed Base (Geräte bei den Kunden) eines Produkts zuzugreifen. Planung, Prognostizierung oder Schätzung werden dadurch nicht mehr nötig sein. Man wird nicht mehr versuchen müssen, eine ungenaue Zahl auf die ohnehin schon ungenauen und fehleranfälligen Geschäftsprozesse anzuwenden.
Wir werden in der Wirtschaft einen grundlegenden Wandel vieler Geschäftsprozesse erleben, in welchen sich intelligente und vernetzte Geräte ausbreiten. Geräte werden selbstständig und direkt untereinander kommunizieren und es ist nicht mehr nötig die langen, von Menschen verwalteten Prozesse zu durchlaufen welche das Herzstück eines heutigen ERP-Systems sind. Die Geräte werden über eine Reihe von Protokollen kommunizieren, welche für die Kommunikation von Maschine zu Maschine und nicht von Menschen zu Mensch oder gar von Mensch zu Maschine konzipiert sind. Die Businessprozesse-Systeme werden künftig mehr zu Robotik- und zu Machine-to-Machine Prozess-Systeme werden.
[Bildquelle: https://www.senetco.com/]