Daniel Frei (Autor)
Zur Erreichung einer hohen Akzeptanz neuer Technologien bestehen einige Meinungen und Modelle. Diese beruhen oft auf der Annahme, dass Digitalisierungsprojekte entweder geschätzt, akzeptiert oder abgelehnt werden. Dieser Ansatz berücksichtigt jedoch nicht den Weg der Transformation selbst. Auf diesem Weg finden Abstimmungen, Anpassungen, Verhandlungen, Entscheidungen und Abweichungen statt. In diesem Kontext wird Enterprise-Resource-Planning (ERP) Systemen und Projekten oft eine gewisse Trägheit unterstellt. Doch wie der Erfolg eines Projekts hängt auch die Nutzungsbereitschaft von den beteiligten Personen ab.
Das Image von ERP Einführungen
ERP Einführungen haben den Ruf riskant zu sein. Selbstverständlich führen Umfang, Komplexität und Abhängigkeiten zu einigen herausfordernden Aufgaben. Nicht immer gelingt es Unternehmen diese erfolgreich zu meistern. Auf eine Auflistung solcher negativer Beispiele verzichte ich hier bewusst. Misserfolge werden bereits genügend beschrieben. Diese Berichte versuchen dann auch gleich die Gründe zu analysieren. Zuviele Inhalte, schlechte Verträge, fehlendes Knowhow, zu enger Zeitplan, veränderter Scope, zu viele Veränderungen, unklare Ziele, zu hohe Kosten, falsche Technologie und so weiter. Wurde vielleicht auch einfach die individuelle Bereitschaft zur ERP-Nutzung überschätzt?
Interessant ist es ja, dass dieselben ERP Lösungen unterschiedlich erfolgreich eingeführt werden. Liegt dies an den gewünschten Anpassungen, an veränderten oder unklaren Zielsetzungen, an individuellen Bedürfnissen oder an Gewohnheiten und fehlender Akzeptanz?
Traditionelle Modelle
Traditionelle Modelle gehen von einem eher linearen durch neue Technologien verursachten Druck aus. Dabei werden die Benutzer aufgefordert, die neuen digitalen Lösungen zu nutzen und zu akzeptieren. Da sind wir wieder bei den in der Einleitung erwähnten Einstellungen "Akzeptanz" oder "Ablehnung". Mit dieser Betrachtung wird den Benutzenden eine passive Rolle unterstellt (Elbanna, 2017). Ein wichtiges Thema in diesem Kontext ist auch der zeitliche Verlauf. Respektive die Frage, zu welchem Zeitpunkt welche Personen Freude an neuen Technologien entwickeln. Dazu bestehen verschiedene Modelle und Einteilungen. Beispielsweise werden die Benutzer in Innovatoren, frühzeitige Anwender, frühe Mehrheit, späte Mehrheit und Nachzügler eingeteilt.
Einen weiteren Ansatz beschreiben Hütter und Riedl (2017). Sie gestalten und analysieren in ihrem "CIO role model" Wirksamkeitsrollen. In einer für den vorliegenden Kontext angepassten Zusammenstellung könnten diese Rollen wie folgt bezeichnet werden:
- ERP (System )Anbieterin
- Beratung / Consulting
- Unternehmensführung / Geschäftsleitung
- Innovationstreiber / Organisationsentwicklung
- Key-User
- Change Agents
Rolle ERP Anbieterin
Die ERP Anbieterin konzentriert sich auf die Bereitstellung von zuverlässigen und kosteneffizienten Business Software und IT Dienstleistungen. Auf Kundenseite erfolgt diese Zusammenarbeit oft durch den CFO oder projektleitende Personen aus dem Bereich Finanzen. Nicht selten ist auch die IT in diesem Bereich angesiedelt. Irgendwie liegt es dabei auf der Hand, das die Kosten einen zentralen Schwerpunkt einnehmen. Doch zur Akzeptanz innovativer Lösungen können wir hier noch nicht sehr viel ableiten. Nehmen wir uns der Beratung / dem Consulting an.
Rolle ERP Beratung
Die ERP Beratung orientiert sich an Systemen, Anwendungen und Prozessen. Dabei nimmt die Abstimmungen der ERP Projektziele mit den Unternehmenszielen eine zentrale Rolle ein. Dazu gehört ein solides ERP und IT Fachwissen sowie ein grundlegendes Verständnis des Geschäfts. Nur so können neue Marktchancen mit der passenden Technologie gefördert und genutzt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, eine nachhaltige Partnerschaft zwischen der ERP Anbieterin und dem Unternehmen (Kunden) aufzubauen, zu fördern und zu ermöglichen. Doch zur Akzeptanz innovativer Lösungen können wir hier noch nicht sehr viel ableiten. Nehmen wir uns der Unternehmensführung an.
Rolle der Unternehmensführung / Geschäftsleitung
Selbstverständlich ist das ERP Projekt (nur) eines von vielen Geschäften. Das ERP Projekt benötigt Entscheidungen, Unterstützung, Ressourcen und einiges mehr. Alles was vom Projektteam beantragt wird, kann in der Geschäftsführung behandelt und Massnahmen in Auftrag gegeben werden. Da kommt auch rasch die Frage nach den ERP und IT Kenntnissen auf. Wie soll das neue ERP System zur Unterstützung der Geschäftsziele genutzt werden, wie kann der Verwaltungsaufwand reduziert, wie die angestrebten Innovationen und Verbesserungen erreicht werden? Hierbei können auch Missverständnisse und Uneinigkeiten entstehen. Eine (gute) Lösung dazu ist die umfassende Kommunikation und Koordination zwischen den Mitgliedern der Unternehmensführung und dem ERP Projektteam. Doch zur Akzeptanz innovativer Lösungen können wir auch hier noch nicht sehr viel ableiten.
Diese Ausführungen könnten wir nun weiterführen ... und würden jedesmal zur selben Erkenntnis gelangen.
Die individuelle Bereitschaft zur Akzeptanz und Bereitschaft ist vorallem auch ein individuelles Thema. Grundsätzlich besteht Einigkeit, dass diese Bereitschaft entscheidend ist. Und irgendwie sind wir doch alle Beteiligten mitverantwortlich.
Gemeinsam agieren
Die vorgängige Betrachtung ist viel zu einfach dargestellt. Natürlich trägt jede Rolle ihren Anteil zum Ergebnis bei. Auch zur Akzeptanz innovativer und neuer Lösungen. Im Austausch ergibt das eine das andere. Eine Forderung führt zu einer Massnahmen. Ein Projekt zu einer Idee. Eine Spielerei zu neuen Ansätzen. Ein neues ERP System zu neuen Abläufen. Das Verhalten der Führung zur Reaktion der Mitarbeitenden. Alles zusammen irgendwie zur Akzeptanz. Die Theorie besagt, dass die Netzwerkmacher ihre Ziele und die ihrer Projekte nur durch Assoziationen und Allianzen zwischen vertrauenswürdigen Akteuren erreichen (Elbanna, 2007).
Eine fast fiktive Geschichte
Ein ERP Projekt startet mit Zielsetzungen. Während des Verlaufs der Projektrealisierung kann durchaus auch einmal eine gewisse Verwirrung und Uneinigkeit über diese Zielsetzungen aufkommen. Dazu eine kleine "im Ansatz erfundene" Geschichte:
- Als jede Partei begann, an ihren eigenen Zielen zu arbeiten. Die Ergebnisse der ersten ERP Implementierungsphase unterschieden sich erheblich zwischen den im Projekt beteiligten Partnern. Die Geschäftsleitung beschloss, ein externes Beratungsunternehmen zu beauftragen, um die Situation zu analysieren und eine Erklärung für die unterschiedlichen Ergebnisse zu finden. Die Berater wiesen darauf hin, dass verschiedene Parteien ihre eigenen Annahmen bezüglich der Ziele des Projekts getroffen hatten. Somit würden sie auch auf unterschiedliche Ergebnisse hinarbeiteten. Im Anschluss und als Ergebnis mehrerer Sitzungen vereinfachte die Geschäftsleitung die Projektziele auf ein einziges: die Vereinheitlichung der Abläufe durch die Anwendung von ERP Standards. Dies wurde durch ein farbiges Logo dokumentiert.
Geht es auch fundierter?
Bei der Erstellung des vorliegenden Berichts konnte ich nur wenige qualitativ ansprechende Informationen dazu finden. Die Einführung von ERP Systemen aus der Perspektive der Benutzenden (User) und deren Akzeptanz scheint nicht umfangreich aufbereitet zu sein. Einige interessante Aspekte können der Studie von Kwak, Park, Chung & Ghosh (2012) entnommen werden.
Organisatorische Unterstützung zur ERP Akzeptanz
Einen Beitrag zur bestehenden Informationslücke möchte ich mit einer eigenen Studie leisten. Diese trägt den Namen "Abhängigkeiten organisationaler Unterstützung und weiterer Einflussfaktoren auf die Technologieakzeptanz und -Bereitschaft".
Studie zur Technikbereitschaft und Akzeptanz
Die Studie untersucht, wie sich die Technikbereitschaft auf unterschiedliche Variablen und insbesondere auf wahrgenommene organisationale Unterstützung verhält. Die gewählte Stichprobe beschränkt sich auf Kontakte aus den sozialen Medien und einer Umfrage während 2 Wochen. Die Umfrageergebnisse wurden mittels verschiedener Methoden analysiert und bewertet. Die Studie zeigt, dass grundsätzlich hohe Zustimmungswerte in der Technikbereitschaft (80%) und der wahrgenommenen organisationalen Unterstützung (76%) vorhanden sind, jedoch wenig Korrelationen erkennbar sind. Die Ergebnisse werden mit den Modellen "Perceived Organizational Support (POS)" von Eisenberger et al. (1986) und zur "Technikbereitschaft" von Neyer, Felber & Gebhardt (2016) reflektiert und diskutiert.
Die Technikbereitschaft lässt sich in der Studie bereits mit zwei Items und den Merkmalsausprägungen “ich finde schnell Gefallen an technischen Neuentwicklungen” und “ich bin stets daran interessiert, die neuesten technischen Lösungen zu verwenden” gut (52.8%) erklären. Insgesamt liefern vier Items zur Technikakzeptanz eine gute (63.4%) Erklärung zur Technikbereitschaft.
Wie erwartet, führt eine hohe Technikakzeptanz zu einer hohen Technikbereitschaft. Dieses Ergebnis durfte aufgrund des Technikakzeptanzmodells (TAM) von Davis, Bagozzi, & Warshaw (1989) aus der sozialpsychologisch orientierten Einstellungsforschung erwartet werden. Im Wesentlichen erklärt diese Theorie die Technikakzeptanz mit der wahrgenommenen Nützlichkeit und Einfachheit. Was uns zur Diskussion weiterer Ergebnisse führt. Die Hypothese, dass die Technikbereitschaft mit zunehmendem Alter abnimmt, kann weder für die Technikakzeptanz noch für die Technikbereitschaft gestützt werden. Die Gründe dazu können vielfältig sein, einen wesentlichen Einfluss könnte auch die Stichprobe selbst darstellen, da die Umfrage über die sozialen Medien verteilt wurde und damit möglicherweise bereits eine entscheidende Auswahl mit Bezug zur Technikakzeptanz und zur Technikbereitschaft erfolgte. Nach dem Alter habe ich den Einfluss der Variable “Anzahl Beschäftigter in der Organisation” untersucht. Die Hypothese, dass bei kleineren Organisationen (Anzahl Mitarbeitende) das Ausmass der organisationalen Unterstützung höher wahrgenommenen wird, lässt sich mit der Studie nicht bestätigen. Interessanterweise verhält sich die Stichprobe zur Wahrnehmung der organisatorischen Unterstützung so, dass ausser in der Gruppe der Anzahl Beschäftigter im Unternehmen von 10 bis 49 (zwischen “weder noch” und “stimme eher zu”) alle anderen Mittelwerte eine Stufe höher, zwischen “stimme eher zu” und “stimme zu” liegen. In diesem Zusammenhang wurden auch die Mittelwerte zur Technikbereitschaft mit der Gruppierung nach Anzahl Beschäftigter im Unternehmen betrachtet. Wenn auch mit kleineren Differenzen als bei der POS Betrachtung, erzielt auch hier dieselbe Gruppe (Anzahl Beschäftigter) den geringsten Mittelwert. Bezugnehmend auf den Einfluss einzelner Items zur Technikakzeptanz zeigt die Studie, dass dieser Mittelwert mit der Gruppierung der Anzahl Beschäftigen bei 1 bis 9 am geringsten ausfällt. Sowohl bezüglich der Hypothese “Frauen nehmen eine höhere organisatorische Unterstützung war als Männer” und “Männer haben eine höhere Technikbereitschaft als Frauen” lassen sich keine statistisch signifikanten Unterschiede erkennen. Wobei bei der Technikbereitschaft der Mittelwert dem Merkmal Geschlecht noch identisch ausfällt, zeigt die Merkmalsausprägung “weiblich” bei der POS eine leicht höhere (4%) Zustimmung.
Es gibt keine Musterlösung zur Erreichung einer hohen Akzeptanz. Ein gemeinsames agieren ist sehr wertvoll.
Gemeinsam - als Partner - miteinander.
Jede Rolle trägt ihren Anteil. Das eine ergibt das andere. Allianzen zwischen vertrauenswürdigen Akteuren können hohe Akzeptanzen ermöglichen. Auch scheint es, dass Personen die grundsätzlich Gefallen an neuen Lösungen finden, diese auch bedeutend schneller u/o besser akzeptieren.
Die gesamte Studie steht zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Referenzen
- Elbanna (2007)
- Hütter & Riedl (2017)
- Kwak, Park, Chung & Ghosh (2012)
- Frei (2021)
- Davis, Bagozzi, & Warshaw (1989)
- Eisenberger et al. (1986)
- Neyer, Felber & Gebhardt (2016)