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Digitale Transformation (9/14)

25.07.2022

Agilität kann eine Lösung sein - aber ...

Daniel Frei (Autor)

Es ist kein Geheimnis, dass die Digitalisierung den Druck auf die Wettbewerbsfähigkeit und die erforderliche Geschwindigkeit für Veränderungen erhöht. Um kundenorientiert handeln und interne Prozesse beschleunigen zu können, benötigt es eine Strategie, mit welcher sich die Arbeitsweise den neuen Bedingungen anpassen lässt. Diese Strategie umfasst die raschere und flexiblerer Erbringung von Dienstleistungen, sowie die Entwicklung und Produktion neuer Produkte.

Unternehmen brauchen Strategien, um ihre Arbeitsweise zu ändern, um auf dem Markt relevant zu bleiben und angepasste Prozesse, Methoden und Werkzeuge mit Leben zu erfüllen ...

Aber schon Peter Drucker betonte: "Kultur frisst Strategie zum Frühstück". Welche Art von Kultur ist notwendig, um den Wandel hin zu Kundenorientierung und Schnelligkeit zu fördern? Mit welchen Ansätzen kann eine bestehende Kultur verändert werden?

... aber auch Stabilität

Sowohl Individuen wie auch Organisationen müssen stabile Handlungs- und Denkmuster erzeugen, um ihre Aufgaben effektiv und effizient erfüllen zu können. Hierarchische Strukturen können diese stabilen Struktur und Prozesse etablieren und in einer eher vorhersagbaren Umwelt eine stabile und verlässliche Leistung ermöglichen. Doch spätestestens in der Arbeitswelt 4.0 verändert sich die Umwelt rasant. Die hohe Veränderungsgeschwindigkeit (Umwelt, Technologie, Kundenbedürfnisse, Wettbewerber) erzeugt einen grossen Veränderungsdruck.

Und die Lösung heisst "AGILITÄT" (!?)

Agile Arbeitsmethoden und Organisationsformen haben sich in den letzten Jahren in IT und IT-nahen Unternehmen etabliert und gelten als moderne und für die Arbeitswelt 4.0 passende Form. Das Versprechen lautet, dass agile Organisationen erfolgreicher sind und sich ihre Anpassungs- und Leistungsfähigkeit dauerhaft erhöht. So ist es keine Überraschung, dass Agilität, Design Thinking, Rapid Prototyping, Kanban oder Scrum in vielen Unternehmen ein Thema sind.

Es wird heutzutage davon ausgegangen, dass die komplexen Herausforderungen der Arbeitswelt 4.0 mit agilen Mitarbeitenden, Teams und Organisationen erfolgreich zu bewältigen sind oder diese mindestens einen entscheidenden Einfluss haben. Dazu besteht ein breiter Konsens und in der Praxis stellt sich mehr die Frage, wie diese Konzepte eingeführt oder umgesetzt werden und nicht, welche Voraussetzungen dazu notwendig sind und welche neuen Probleme dadurch entstehen können. Neben den mit der Digitalisierung, Innovationen, der Einführung und Nutzung neuer Technologien, der Automatisierung, der Vernetzung oder mit selbstlernenden Systemen und Algorithmen angestrebten Zielen, soll auch gleich die Führungsstruktur und die Art und Weise der Zusammenarbeit verändert werden. Ob diese Vielfalt an gleichzeitig stattfindenden Veränderungen erfolgsversprechend sind, zeigt sich in der Regel erst in der Folge der ausgeführten Aktivitäten. Die Versprechen dazu sind gross. Agile Arbeitsweisen und agile Unternehmen sollen gemäss Umfragen und Studien zu schnellem Wachstum, hoher Flexibilität, grossen Innovationsschritten und zu hohen Gewinnen führen.

Was ist Agilität?

Aus der Literatur lässt sich kein einheitliches Verständnis zur Agilität ableiten. Vermehrt anzutreffen sind in den Definitionen Fähigkeiten, welche ein erfolgreiches Behaupten in volatilen Umwelten durch rasche Reaktionen auf Veränderungen und eine proaktive Gestaltung des kontinuierlichen Wandels ermöglichen. Dabei bilden zielgerichtete, evidenzbasierte und strukturierte Lern- und Zusammenarbeitsprozesse den Kern der Agilität. Besonderheiten in agilen Arbeitsmethoden und Organisationsformen sind eine erhöhte Transparenz, mehrere Rückmeldeschlaufen sowie ein hoher Grad an Selbstverantwortung und Selbstorganisation.

Der Wert des Bekannten

Unternehmen haben begrenzte Ressourcen und nicht selten verfügt der Kern des Unternehmens nicht über die Fähigkeiten und Kompetenzen in aufstrebenden Technologien wie maschinelles Lernen/künstliche Intelligenz oder Blockchain. Ansätze zur Bewältigung dieser Herausforderungen sind beispielsweise die Einbindung externer Ressourcen und
der Wechsel von Wasserfall Methoden zu agiler Arbeit.

Der lösungsfokussierte Prozess unterstützt Führungskräfte die komplexen und oft informellen Beziehungen zu identifizieren. Ein Beispiel dafür sind hierarchisch organisierte Unternehmen welche versuchen agil zu werden. Traditionell werden  dann Projekte mit dem Wasserfallmodell abgewickelt. Dabei werden die zu Beginn des Lebenszyklus definierten Anforderungen in seitenlangen Lastenheften dokumentiert. Der Anspruch dazu lautet, dass diese möglichst durchgehend unverändert bleiben sollen.

Die eigene Erfahrung zeigt, dass agile Methoden und Formen erfolgreiche Innovationen, Projekte, Produkte und Dienstleistungen ermöglichen können. Jedoch sind vorschnelle Erfolgsversprechen zur agilen Arbeit auch kritisch zu überprüfen. Die zur Agilität erforderlichen Voraussetzungen und die Konsequenzen daraus sind sehr umfassend. Oder werden in Ihrem Unternehmen Themen wie veränderte Entscheidungsprozesse, Systemüberforderungen oder Trivialisierung und Generalisierung thematisiert?

Agilität kann eine Lösung sein, ...

Agilität lohnt sich, davon bin ich überzeugt - doch Agilität sollte nicht als die einzig richtige und passende Lösung für jede neue Herausforderung betrachtet werden. Agilität erzeugt Komplexität und fordert den Einbezug der Mitarbeitenden aller Organisationseinheiten. Oder anders ausgedrückt, aus einer hierarchisch eingesessenen Unternehmensstruktur wird mit der Anwendung agiler Projektmethoden oder der Einführung eines agilen Frameworks noch lange keine anpassungsfähige und rasch agierende agile Organisation. Viele Veränderungsinitiativen scheitern, weil die Führung die Mitarbeiter nicht in den Veränderungsprozess einbezieht und sich die Organisation nicht genügend Zeit und Raum gewährt um die Veränderungen zu überprüfen und zu verankern. 

... wenn die Vorbereitungen dazu professionell erfolgen!

Wir haben eingangs erwähnt, dass Unternehmen gezwungen sind, Strategien zu entwickeln um der hohen Geschwindigkeit und dem Veränderungsdruck zu begegnen. Agile Arbeitsmethoden und Organisationsformen können dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Auf dem Weg zur agilen Organisation bestehen, wie bei allen einschneidenden und umfassenden Veränderungen, Chancen und Risiken. Die frühzeitige Identifikation von Stolpersteinen kann die Erfolgschancen beachtlich erhöhen.

Dazu gehören individuelle, Team-/Projekt- sowie Organisationsattribute. Das Bewusstsein der möglichen Abhängigkeiten einer agilen Organisation von diesen Attributen scheint eine wichtige Grundlage zu sein. Es ist anzunehmen, dass auf allen drei Ebenen Voraussetzungen geprüft, abgestimmt und geschaffen werden müssen, um der agilen Organisation Schritt für Schritt (oder Iteration für Iteration) näher zu kommen. Entscheidend scheint, dass sich die Führung intensiv mit den zu erreichenden Zielen auseinandersetzt, sowie messbare Kriterien definiert und laufend die Zielerreichung prüft.

Wobei bereits zum Start der Veränderung hin zur agilen Organisation feststeht, dass sowohl die Führung und deren Rolle sowie auch die Einstellungen und Fähigkeiten aller Mitarbeitenden entscheidend sein werden. Ein agiles Mindset auf allen Ebenen und eine hohe Bereitschaft der Führung, anstehenden Veränderungen zu akzeptieren und unterstützen, ist eine unerlässliche Voraussetzung. Diese können aus bestehenden Frameworks abgeleitet werden, sowohl auf der Team-/Projektebene aus bspw. Scrum, Kanban, Design Thinking oder Lean-Start-Up wie auch auf der Organisationsebene mit den noch weniger bekannten Rahmenwerken.

Von der Theorie zur praxisnahen Selbstreflektion

Um diese Erkenntnisse praxisnah anwenden zu können, stellen wir einen Fragebogen zur Reflektion der Bereitschaft, den Voraussetzungen sowie den Erfolgsaussichten der Aktivitäten hin zur agilen Organisation unter https://bit.ly/AgileBereitschaft zur Verfügung.

 

Quellenverzeichnis

  • Carsten Burchardt, Bettina Maisch, 2019. Digitalization needs a cultural change – examples of applying Agility and Open Innovation to drive the digital transformation
  • Daniel Frei, 2021. Critical view on the introduction of agile working methods and structures