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Digitale Transformation (2/14)

06.06.2022

Wie stark ist der zukünftige Unternehmenserfolg vom Aufbau digitaler und vernetzter Beziehungen abhängig?

Daniel Frei (Autor)

Die 14-teilige Serie zur digitalen Transformation setzt sich sowohl mit konkreten Fragestellungen wie auch mit theoretischen Konzepten auseinander. Der digitalen Transformation werden weitreichende Auswirkungen auf die Organisation und deren Arbeitsweise zugeschrieben, entsprechend sind veränderte Anforderungen an Führungskräfte sowie an die Art und Weise der Entscheidungsfindung zu erwarten. Mit dem Einsatz digitaler Technologien werden bestehende Regeln und Strukturen in Frage gestellt.

Technologien haben einen hohen Einfluss auf das Führungsverhalten. Die Entwicklung der Informationstechnologien als Treiber für disruptive Veränderungen der Arbeits- und Organisationsstrukturen, wie auch veränderte Anforderungen und Verhaltensweisen von Führungskräften über verschiedene organisatorische Funktionen hinweg, wird dabei breit anerkannt 1). Natürlich beeinflusst nicht nur die Technologie die Führung, sondern auch die Führung die Technologie. Es entsteht eine Wirkung zwischen Technologie, Individuen, Gruppen und der Organisation. Dabei fällt der Aufbau von stärker integrierten und vernetzten Beziehungen mit Partnern und Wettbewerbern auf. Somit können organisatorische Struktur nicht länger als ein statisches Merkmal betrachtet werden, sondern als ein fortlaufender Prozess.

Die Eingangsfrage bezieht sich auf den möglichen Erfolg für das Unternehmen aufgrund vernetzter Beziehungen. Dies wird noch oft verwechselt oder missinterpretiert durch Profit aus dem Netzwerk. In aller Regel ist es doch so, dass zuerst die Bereitschaft vorhanden sein muss, etwas in die Beziehung einzubringen, also etwas zu geben. Dies ist mit Bezug auf die digitale Transformation insbesondere Wissen, Erfahrung, Ressourcen und der Zugang zu weiteren Beziehungen. In funktionierenden Netzwerken kann man davon ausgehen, das man für das Geben etwas zurück bekommt. Dies erfolgt in digitalen Beziehungen jedoch nicht mehr wie auf dem Marktplatz oder im Verein in einem mehr oder weniger berechenbaren Umfeld. Der Rückfluss ist nicht mehr sichergestellt oder eine Zeitspanne von mehreren Jahren durchaus üblich. 

Digitale Transformation der Märkte

Bruhn & Hadwich 2) beschreiben die Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Dimensionen der Geschäftsmodellgestaltung, wie bspw.:

  • die bekannten Zugänge zu und von Kunden werden durch digitale Zugangspunkte erweitert
  • die digitale Interaktion verändert den Wert der persönlichen Beziehung
  • digitale Plattformen etablieren sich und bilden neue Ökosysteme
  • der Nutzen einer detaillierten strategischen Planung sinkt, den Modelle und Erfolge können innert immer kürzer werdenden Fristen grundlegend ändern
  • Innovationen erfordern das Eingehen von Risiken, dazu muss eine Kultur etabliert werden, die viel mehr experimentiert und vielleicht das Risiko auch mehr verteilt

Mit der gewählten Einleitung zu diesem Beitrag liegt auch der Blick auf geschäftliche Beziehungen nahe, welche durch digitale Vernetzung oder digital-soziale Netzwerke entstehen. Damit werden (zukünftige) Geschäftsbeziehung auf ganz anderen Kanälen und Dialogen aufgebaut, als dies bisher der Fall war. Einerseits, da nicht mehr hierarchisch organisierte und klar definierte Strukturen in Dialog treten, sondern Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über irgendwelche Netzwerke, welche vielleicht auch gar keinen Zusammenhang mit dem aktuellen Bedürfnis haben. Deshalb auch der vorgängige Hinweis zum Geben und Nehmen sowie der Zeitspanne. Andererseits verändert die digitale Organisation von Beziehungen ganze Geschäftsmodelle. Ein kleines Beispiel dazu. Welches Taxi wurde früher nach dem Feierabendbier in der nahegelegenen Bar bestellt? Genau, da war eine Visitenkarte an der Bar angepinnt und genau diese Nummer wurde Abend für Abend gewählt. Wenn die Gäste nun neu das Smartphone zur Hand nehmen und mit den verfügbaren Suchen und/oder Apps ein Taxi (wenn es dann noch ein Taxi ist) bestellen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dies nicht mehr dasselbe Taxiunternehmen anspricht. Wenn wir nun dieses doch eher einfache Beispiel in den Kontext des eigenen Unternehmens stellen, dann werden die Chancen für zukünftige Erfolge durch den Aufbau integrierter, digitaler und vernetzter Beziehungen sichtbar. Aus meiner eigenen Erfahrung darf ich hier anfügen, dass unser Unternehmen heute mit Kunden und Partnern zusammenarbeiten darf, welche ohne die Kontaktmöglichkeiten der sozialen Medien nicht zustande gekommen wären. Dazu gehören beispielsweise auch Bundesstellen oder grössere Städte, bei welchen wir über den Zugang "zentraler Einkauf" es wohl nicht einmal auf eine Longlist geschafft hätten.

Somit müssten wir eigentlich die Eingangsfrage anders stellen: "wie lange überlebt das Unternehmen ohne persönliche, integrierte, digital vernetzte Beziehungen?"

Veränderte Beziehungen verändern die Führung

Ergänzend möchte ich mit diesem Beitrag auf die Veränderungen der Führung in komplexen Umgebung mit zunehmender Unplanbarkeit eingehen. Kruse (2014) berichtet dazu und benennt dies als Komplexitätsfalle, welche dazu führt, dass die Führung nicht mehr richtungsgebend ist. Um diesen Herausforderungen zu begegnen wird erkannt und anerkannt, dass mehr Wissen notwendig ist, welches wiederum in Netzwerken beschafft wird. Die Vernetzung führt zu einer weiteren  Erhöhung der Komplexität. Netzwerke haben die Eigenschaft Macht zu übernehmen und es findet ein Machtwechsel vom Sender zum Empfänger statt, da der Empfänger entscheidet was wichtig ist und was nicht. Die durch die Vernetzung neu entstehenden Kooperationen stossen Systemveränderungen an, denn was gestern noch funktionierte geht heute bereits nicht mehr. Auch diese Veränderungen beeinflussen wiederum die Komplexität der Führung. Mit nebenstehender Skizze versuche ich diese Abhängigkeiten vereinfacht und stark reduziert darzustellen.

  1. Van Outvorst et al., 2017
  2. Bruhn & Hadwich, 2017
  3. Breuer & Genske, 2021
  4. Kruse, 2014 (YouTube Video)