Thomas Hartmann (Autor)
Viele verstehen unter Prozessautomatisierung, dass eine Business Software (bspw. ein ERP System) eine Aufgabe ohne Mitwirkung eines Benutzers durchführen kann. Dies ist zwar eine automatisierte Aktivität, jedoch verstehe ich unter Prozessautomatisierung ein wesentlich mächtigeres Werkzeug. Anhand eines Beispiels aus dem Bereich Service & Support zeige ich Ihnen auf, was ich unter Prozessautomatisierung verstehe und welches Potenzial sich dahinter verbirgt.
Stellen Sie sich ein Service Unternehmen vor, welches täglich Hunderte von Supportanfragen bekommt. Ohne Prozessautomatisierung wird jeder Fall manuell bearbeitet: Die damit bediente Person notiert die Meldung und ermittelt manuell, ohne Systemunterstützung, den zuständigen Servicemitarbeitenden. Diesem wird der Fall per Mail oder im System zugewiesen und – sofern ein Einsatz vor Ort nötig ist – im Dispositionsprogramm eingeplant. Nach erfolgter Dienstleistung wird der ausgedruckte Servicerapport ausgefüllt, vom Kunden unterschrieben, gescannt, die Positionen im System erfasst, verrechnet und der Service Fall abgeschlossen.
Mit Einsatz von Prozessautomatisierung werden die meisten Aufgaben in diesem Prozess durch das System unterstützt. Sobald der Mitarbeitende den Fall im System erfasst hat, wird der Prozess automatisch angestossen. Das System leitet den Auftrag selbständig anhand vordefinierter Kriterien, historischer Daten sowie hinterlegter Kompetenzmuster dem zuständigen Servicemitarbeitenden weiter. Der Einsatz wird anhand der Kapazitätsplanung provisorisch geplant und vom zuständigen Disponenten freigegeben. Die Erfassung des Servicerapportes erfolgt auf einem mobilen Gerät und wird somit digital visiert. Mittels Workflows erfolgt die Übergabe in die Debitorenbuchhaltung. Dort findet die automatische Verrechnung sowie der elektronische Versand der Faktura statt. Sofern gewünscht erhält der Kunde wenige Minuten nach dem Einsatz die Abrechnung inklusive Servicerapport und der Service Fall ist abgeschlossen.
Dieses Beispiel zeigt, welches Optimierungspotential mit der Prozessautomatisierung möglich wird:
- Ca. 80% der Aufgaben werden vom System selbständig durchgeführt
- Die Kommunikation wird vereinfacht (automatische Planung, Erinnerungen, durch das System weitergeleitete Aufgaben, etc.)
- Regeln und Zuständigkeiten können verbindlich definiert werden
Zusätzlich bietet das Monitoring weitere wichtige Vorteile. Moderne und ausgereifte Systeme erlauben es die Prozesse zu überwachen. Mitarbeitende können sich jederzeit einen Überblick der pendenten Aufgaben verschaffen. Verspätete Prozesse können sofort identifiziert werden und erleichtert, Prioritäten richtig zu setzen. Der Wechsel zwischen verschiedenen Aufgaben ist leichter. Zudem können Prozesse anhand von Logfiles (Systemaufzeichnung) über längere Zeiträume analysiert werden und bilden eine Grundlage für zukünftige Optimierungen.
In der Prozessautomatisierung unterscheidet man zwischen konzeptionellen Prozessen und ausführbaren Prozessen. Konzeptionelle Prozesse sind in den QM-Handbüchern der Unternehmen abgebildet. Sie werden meist von den prozessverantwortlichen Stellen modelliert und bilden die Grundlage für internen Abläufe und Kommunikationswege. Ausführbare Prozesse werden, basierend auf den konzeptionellen Prozessen, von IT-Spezialisten erstellt und bilden die Grundlage für eine Prozessautomatisierung. Sie beinhalten wesentlich mehr und detaillierte Informationen als konzeptionelle Prozesse.
Spezialisierte und integrierte Anwendungen
In erster Linie braucht es eine Software, welche Funktionen im Bereich Prozess-Automatisierung zur Verfügung stellt. Business Process Management Systeme (BPMS) sind spezialisierte Anwendungen für Prozessautomatisierungen. Einige ERP-, CRM-, SCM- und DMS- Anbieter haben in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte in diesem Bereich gemacht. Der Funktionsumfang variiert je nach Systemanbieter erheblich. Von einer einfachen Aufgabenverwaltung über eine Workflowunterstützung bis hin zu komplett integrierter BPM-Engine ist auf dem Markt alles vorhanden. In den letzten Jahren kommt zudem immer mehr das Thema Künstliche Intelligenz (KI) zum Zuge. Riesige Datenmengen (Big Data) tragen dazu bei, dass das System selbständig lernt und aus historischen Daten ähnlicher Fälle immer bessere, schnellere und exaktere Entscheidungen trifft.
Ich bin überzeugt, dass gerade in den Bereichen KI und Big Data enormes Potenzial zur präzisen Automatisierung von Prozessen liegt. Den Systemanbietern ist dies bewusst und wir sind gespannt, wo die Reise in diesem hochinteressanten Thema hinführt.